Takfīr bil ʿUmūm auf Dār al-Kufr

Die Frage, ob Takfir bil Umum eine Realität im Islām hat, hat sich unter den Menschen, die mehr zu Religiösität geneigt sind, verbreitet. Es ist, wie bei vielen Angelegenheiten, eine Frage der Definition. Wenn man die Diskussion verfolgt, so stellt man fest, dass viele aneinander vorbeireden, weil sie gar nicht das Thema an sich verstanden haben und die Frage, die es zu klären gibt, nie definiert haben.

Zuerst aber, für diejenigen, die mit dem Thema nicht vertraut sind: Was ist at-Takfīr bil ʿUmūm? Im gegenwärtigen Zeitgeist versteht man darunter die Frage, ob man die Menschen, die in einem Gebiet, welches im Fiqh des Islāms, als Ungläubig festgelegt ist, also Dār al-Kufr bzw. Dār al-Ḥarb, auch allgemein als Ungläubig ansieht und welche Anzeichen an einer Person vorfindbar sein müssen, dass man sie als Muslim akzeptiert.

Dies bedingt vorweg eine klare Definition darüber, was als Gebiet des Islām eingestuft wird und was nicht.

Die Definition von Dār al-Kufr

Imām Saḥnūn bin Saʿīd al-Mālikī (gest. 240 هـ) überliefert von Imām Ibn al-Qāsim al-Mālikī (gest. 191 هـ) die Definition von Dār al-Ḥarb:

„Ich sagte zu Ibn al-Qāsim: (…) Er (Ibn al-Qāsim) sagte: (…) Siehst du nicht, dass Bilāl vor seinem Herren Muslim wurde, so kaufte ihn Abū Bakr und er befreite ihn. Und das Dār war damals Dār al-Ḥarb, weil die Urteile der Jāhilīya damals vorherrschend waren.“


Imām Qāḍī Abū Ya’lā (gest. 458 هـ) sagt in al-Muʿtamad fī Uṣūl ad-Dīn über die Definition von Dār al-Islām, also dem Gebiet, dem Land, des Islāms und über die Definition von Dār al-Kufr:

„Jedes Land, in dem die Urteile des Islāms, nicht die des Kufr, herrschen, so ist es Dār al-Islām. Und jedes Land, in dem die Urteile des Kufr, nicht die des Islāms, herrschen, so ist es Dār al-Kufr“

المعتمد في أصول الدين، أبو يعلى، ٢٧٦


Imām Ibn Mufliḥ al-Ḥanbalī (gest. 763 هـ) definiert Dār al-Islām und Dār al-Kufr:

„Jedes Gebiet, in dem die Urteile der Muslime herrschen, so ist es Dār al-Islām. Und wenn die Urteile der Kuffār über es herrschen, so ist es Dār al-Kufr. Und es gibt kein Dār, außer den beiden“


Gegeben dieser Definition können wir feststellen, dass aktuell kein Dār al-Islām existiert. Wir werden an dieser Stelle nicht tiefer in die Materie eintauchen, da dass genügend Umfang für einen separaten Beitrag darstellt. Fakt ist, dass nach dem endgültigen Fall des Kalifats im ersten Quartal des zwanzigsten Jahrhunderts nach gregorianischer Zeitrechnung der Kufr auch die letzte Erde infiziert hatte und dass die Menschen sich noch weiter vom Islām entfernt haben. Der Irtidād hat viele erreicht, bewusst oder unbewusst, und der Irjāʾ hat sich etabliert.

Wenn man nun also mit der korrekten Linse auf diese Dunyā blickt, so wird man wissen, dass überall Dār al-Kufr ist. Und die Rechtsurteile des Islāms ändern sich bei vielen Angelegenheiten, abhängig des Dār.

Das allgemeine Urteil über Dār al-Kufr

Der Sprachgelehrte Imām al-Farāhīdī (gest. 170 هـ) sagt in seinem Kitāb al-ʿAyn über die Definition von Kufr:

„Kufr: Das Gegenteil von Īmān. Es wird gesagt, für die Bewohner von Dār al-Ḥarb: Sie sind Kāfir. Das bedeutet: Sie haben sich widersetzt und sich geweigert“


Imām Ibn Ḥazm (gest. 456 هـ) erwähnt weiterhin über die Einstufung des Dār, dass es am Herrschenden hängt und auch er erwähnt Takfīr bil ʿUmūm über Dār al-Ḥarb:

„Die Aussage des Gesandten Allāhs, Allahs Segen und Frieden auf ihm: ‚Ich bin unschuldig von jedem Muslim, (der) zwischen den Rücken der Mushrikūn wohnt (metaphorisch: unter ihnen)‘, erklärt, was wir sagten und dass er, der Friede sei auf ihm, mit jenem nur Dār al-Ḥarb meinte und so hat er, der Friede sei auf ihm, doch seine Arbeiter in Khaybar benutzt und sie waren alle Juden. Und wenn die Ahl ad-Ḏhimma in ihren Städten sind, (und) sie vermischen sich nicht (mit) anderen, so wird der Wohnhafte in ihnen, um Amīr über sie zu sein oder zum Handel unter ihnen, nicht als Kāfir oder Übeltäter betitelt, sondern vielmehr ist er ein guter Muslim und ihr Gebiet ist Dār al-Islām, nicht Dār ash-Shirk, weil das Gebiet nur zugeschrieben wird zu dem Dominierenden (wer die Macht darüber hat) über es, dem Herrschenden in ihm und dem Besitzer von ihm.

Und wenn ein kämpfender Kāfir ein Gebiet von den Gebieten des Islāms überwältigt und er erkennt die Muslime an, in ihrem Zustand (er lässt sie), außer, dass er der Besitzer von ihm, der alleinige in seiner Kontrolle ist und er verkündet einen Dīn, außer dem Islām, so ist Kāfir durch das Bleiben mit ihm, jeder wer ihm hilft und sich mit ihm aufhielt, auch wenn er behauptet, dass er Muslim ist, wegen was wir erwähnten“


Imām Abū Isḥāq as-Saffār al-Bukhārī (gest. 534 هـ) bestätigt dieses Urteil in seinem Talkhīs:

„Wisse, dass Dār al-Islām und Dār al-Īmān (sie selbst) sind, weil der Herrschende in ihnen Ahl as-Sunna wa al-Jamāʿa ist. Wer in ihnen ist, wird beurteilt als Muslim und das Erforschen nach seinem Inneren ist nicht erlaubt, außer wessen Erneuerung bekannt ist, mit Gewissheit (Yaqīn). Jedes Gebiet (Dār) in dem der Herrschende die Leute des Iʿtizāl (die Muʿtazila) sind, wie (die Stadt) ʿAskar Mukram, oder ein Fleck, den die Khawārij bemächtigt haben, wie die Berge von ʿUmān und die Dörfer von Sijistān, oder (in) dem die Lehre der Qarāmiṭen vorherrscht, wie (das Königreich) Hijr und Kairo am Tor von Ägypten. So wenn die Ahl as-Sunna in ihnen unterdrückt ist, für sie der Aufenthalt in ihnen nicht möglich ist, außer durch das Verbergen ihres Glaubens, durch Ḏhimma oder Jizya, so ist jenes Gebiet Dār al-Kufr und der Kampf (gegen) seine Anhänger ist Pflicht. Und jeder, der sich in jenem Gebiet (Dār) befindet, so ist er Kāfir, außer wessen Islam offenkundig wird, mit Gewissheit (Yaqīn)


Imām Ibn Qudāmah (gest. 620 هـ) erklärt das allgemeine Urteil über Dār al-Kufr:

„Denn die Regel (Aṣl) ist, dass wer in einem Dār (Gebiet) war, so ist er von seinen Leuten. Für ihn ist ihr Urteil bestätigt, sofern nicht über seinen Widerspruch ein Beweis erbracht ist

كتاب المغني لابن قدامة، ٣٨١ مسألة؛ قال: وإن حمل وبه رمق غسل، وصلى عليه، فصل: وإن وجد ميت، فلم يعلم أمسلم هو أم كافر، ج٣ ص٤٧٨


Das heißt, dass wer sich in Dār al-Kufr befindet, grundsätzlich urteilsmäßig als Kāfir angesehen wird, bis das Gegenteil für ihn bewiesen wurde, und das ist der erste Aspekt, der bezüglich Takfīr bil ʿUmūm in Dār al-Kufr verstanden werden muss. Es geht bei diesem Thema darum, welches Urteil man über Menschen vergibt, deren ʿAqīdah man nicht kennt und aufgrund welcher Anzeichen oder Aussagen man sie als Muslime anerkennt. Man redet bei Takfīr bil ʿUmūm von einem Zustand der Ungewissheit und der Annahmen.

Sobald der Kufr einer Person offenkundig wird, das heißt, wenn man eine Aussage oder Tat der Person sieht, die klarer Kufr ist, dann gibt es keine Unklarheit mehr über die Person. Dann gilt, dass wer nicht die Person als Kāfir ansieht, selbst ein Kāfir ist, weil es bindend als Muslim ist, die Urteile des Islāms zu bezeugen und derjenige, der den Menschen ein anderes Urteil gibt, als das Urteil des Islāms, hat dem Urteil Allāhs widersprochen und das ist an und für sich Kufr. Wichtig zu erwähnen ist, dass nicht jeder Kufr auf der gleichen Stufe ist. Wer in Tauhīd Angelegenheiten Kufr begeht, also beispielsweise Shirk macht, indem er jemand anderen über Allāh stellt, so ist dieser absolute Shirk und Kufr, nicht gleichzustellen mit den verborgenen Angelegenheiten des Fiqh, wo mehr Hinderungsgründe bestehen und die Ḥujja existiert.

Hervorzuheben hier ist, dass Imām Abū Isḥāq al-Bukhārī spezifisch hervorhebt, dass der Islām einer Person in Dār al-Kufr mit Gewissheit gewusst werden muss und dass, wenn dies bei einer Person nicht der Fall ist, diese Person weiterhin als Kāfir beurteilt wird.

Wir konnten bisher also feststellen, dass wir grundsätzlich jeden der sich in Dār al-Kufr aufhält, das Urteil des Kufrs geben und ihn zunächst als Kāfir ansehen. Auch wenn sich in so einem Gebiet ein Muslim aufhalten sollte, so gibt man allgemein trotzdem das Urteil, dass jeder, der sich in Dār al-Kufr befindet ein Kāfir ist und dieses allgemeine Urteil, wird dann von diesen spezifischen Personen auf Tauhīd gebrochen und sie sieht man, nachdem ihr Tauhīd offenkundig geworden und bewiesen wurde, als Muslime an.

Wichtig zu verstehen ist, dass eigentlich ein Muslim sich nicht in Dār al-Kufr aufzuhalten hat, sondern in Dār al-Islām leben muss, was aber natürlich nicht umsetzbar ist, wenn kein Dār al-Islām existiert. Es ist also umso verständlicher, dass der Islām eine harte und klare Haltung gegenüber Dār al-Kufr hat und entsprechend sind auch diese Rechtsurteile einzuordnen. Faktisch schlussfolgern diese Urteile, aufgrund dessen, dass kein Dār al-Islām gegenwärtig existiert, dass man grundsätzlich überall vom Kufr der Menschen auszugehen hat, bis einen etwas Spezifisches von einer Person erreicht.

Die Anzeichen des Islāms

Dieser Teil wird behandeln, ob man durch Anzeichen des Islāms in unserer Situation eine Person als Muslim beurteilen kann.

Imām al-Qurṭubī (gest. 671 هـ) überliefert von Imām Mālik (gest. 179 هـ), einem der größten Imāme der Salaf:

„(Imām) Mālik sagte über den Kāfir, der gefunden wird, und sagt: ‚Ich bin Schutz suchend gekommen, ich ersuche Sicherheit‘, (Imām Mālik sagt): ‚Dies sind unklare Angelegenheiten. Ich bin der Ansicht, dass er zurückgeschickt wird, zu seiner Zufluchtsstätte und es wird für ihn nicht das Urteil des Islāms festgelegt, weil der Kufr bei ihm bestätigt wurde. So ist es unvermeidlich, dass von ihm erscheint, was bezüglich seiner Aussage beweist.

Es genügt nicht, dass er sagt ‘Ich bin Muslim’ oder ‘Ich bin Gläubiger’ oder zu beten, bis er das Wort des Schutzes sagt, an welches der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, das Urteil festgemacht hat, in seiner Aussage: ‚Mir wurde befohlen, dass ich die Menschen bekämpfe, bis sie sagen: Lā ilāha illā Allāh‘“


Imām Qādī Abū Bakr ibn al-ʿArabī al-Mālikī (gest. 543 هـ) erwähnt ebenfalls, genau wie Imām al-Qurṭubī (gest. 671 هـ), die Überlieferung zu Imām Mālik (gest. 179 هـ) bezüglich Takfīr bil ʿUmūm und den Anzeichen:

„Wenn er zu ihm sagte: ‚Salām ʿalaykum‘, so obliegt nicht, dass er (…)¹, bis bekannt ist, was hinter diesem ist, weil es Gegenstand von Unklarheit ist.

(Imām) Mālik sagte über den Kāfir, der beim Weg gefunden wird, und er sagt: ‚Ich bin Schutz suchend gekommen, ich ersuche Sicherheit‘, (Imām Mālik sagt): ‚Dies sind unklare Angelegenheiten. Ich bin der Ansicht, dass er zurückgeschickt wird, zu seiner Zufluchtsstätte und es wird für ihn nicht das Urteil des Islāms festgelegt, weil der Kufr bei ihm bestätigt wurde. So ist es unvermeidlich, dass von ihm erscheint, was beweist bezüglich, dass die falschen Überzeugungen, auf welche durch seine falsche Aussage hingewiesen wurden, geändert wurden (zu) einer richtigen ʿAqīdah, hingewiesen durch seine richtige Aussage.

Es genügt nicht, dass er sagt ‘Ich bin Muslim’ oder ‘Ich bin Gläubiger’ oder zu beten, bis er das Wort des Schutzes sagt, an welches der Prophet, Allahs Segen und Frieden auf ihm, das Urteil festgemacht hat, in seiner Aussage: ‚Mir wurde befohlen, dass ich die Menschen bekämpfe, bis sie sagen: Lā ilāha illā Allāh, so wenn sie es sagen, sind ihr Blut und ihr Vermögen vor mir beschützt, außer mit Recht auf es (durch die Sharīʿa) und ihre Abrechnung ist bei Allāh‘“


Imām Muḥammad (gest. 189 هـ), von den Salaf, sagt, dass das Aussprechen der Shahāda einen nicht zum Muslim macht, wenn man einen Kufr-Glauben mit sich trägt, solange, bis man sich von seinem falschen Dīn losgesagt hat:

„Er erwähnte von al-Ḥasan, möge Allāh mit ihm zufrieden sein, er sagte: Der Gesandte Allāhs, Allāhs Segen und Frieden auf ihm, sagte: ‚Mir wurde befohlen, dass ich die Menschen bekämpfe, bis sie sagen: Lā ilāha illā Allāh. So wenn sie es gesagt haben, haben sie vor mir ihr Blut und ihr Vermögen beschützt, außer mit Recht (von ihnen). Und ihre Abrechnung ist bei Allāh‘. Er sagte: So bekämpfte der Gesandte Allāhs, Allāhs Segen und Frieden auf ihm, die Götzendiener und sie waren ein Volk, welches Allāh nicht für einzig erklärt hat. So wer von ihnen sagte: ‚Lā ilāha illā Allāh‘, jenes war jenes ein Beweis für seinen Islām. Und ebenso die Mānawiyya (sog. Manichäer) und jeder, der zwei Götter behauptet, wenn einer von ihnen ‚Lā ilāha illā Allāh‘ sagte, so ist jenes Beweis seines Islāms. So was die Juden und Christen betrifft, sie sagen: ‚Lā ilāha illā Allāh‘, so ist diese Äußerung kein Beweis für ihren Islām. Und in der Zeit des Gesandten Allāhs, Allāhs Segen und Frieden auf ihm, bestätigten sie nicht seine Botschaft. So war der Beweis des Islāms hinsichtlich ihnen die Bestätigung, dass Muḥammad der Gesandte Allāhs ist.

Weshalb (von ihm) überliefert wurde, dass er bei seinem jüdischen Nachbarn eintrat, er besuchte ihn, so sagte er: ‚Bezeuge lā ilāha illā Allāh und dass ich der Gesandte Allāhs bin‘. So schaute der Mann zu seinem Vater, so sagte er zu ihm: ‚Antworte Abū al-Qāsim‘. So bezeugte er jenes und er starb. So sagte er (der Prophet), Allāhs Segen und Frieden auf ihm: ‚Das Lob ist für Allāh, der durch mich eine Seele vor dem Feuer befreit hat‘. Danach sagte er zu seinen Gefährten: ‚Kümmert euch (um) euren Bruder‘.

Er sagte: So was heutzutage das Land Irak betrifft, so bezeugen sie Lā ilāha illā Allāh und dass Muḥammad der Gesandte Allāhs ist. Aber sie behaupten, dass er der Gesandte Allāhs (nur) zu den Arabern ist, nicht zu Banī Isrā’īl. Und sie halten sich fest an der Scheinbaren (Bedeutung) Seiner, des Erhabenen, Aussage: «Er ist es, der unter die des Lesens und Schreibens unkundigen einen Gesandten von ihnen schickte» [62:2]

So wer von ihnen bestätigt, dass Muḥammad der Gesandte Allāhs ist, ist kein Muslim, bis sich er zusammen mit jenem von seinem Dīn lossagt oder er bestätigt, dass er in den Islām eingetreten ist. Auch wenn der Jude oder Christ sagt: ‚Ich bin Muslim‘ oder ‚Ich bin Muslim geworden‘, wird er nicht mit dem Islām beurteilt (er gilt nicht als Muslim), weil sie jenes nicht behaupten. Denn wahrlich, der Muslim ist der Wahrheit sich ergebende, der zu ihr fügsame. Und sie behaupten, dass die Wahrheit das sei, worauf sie sind. So ist die Äußerung dieser Aussprache hinsichtlich ihnen kein Beweis des Islāms, bis sie sich von ihrem Dīn zusammen mit jenem lossagen.“


Imām Ibn Abī Shayba (gest. 235 هـ) überliefert:

Yahyā bin Ādam berichtete uns, er sagte: Es berichtete uns Qutbah von al-Aʿmash von ʿUmārah bin ʿUmayr, von Qays bin Sakan,

von Ḥudhayfah, er sagte: „Über die Menschen wird eine Zeit kommen, wenn du dich ihnen entgegenstellen würdest beim Jumuʿa (mit Pfeilen), würdest du niemanden treffen außer einen Kāfir

Wenn das Gebet in jeglicher Situation ein Beweis für den Islām der Leute wäre, wie wäre so ein Szenario dann möglich?


Imām al-Baghawī (gest. 516 هـ) bestätigt weiterhin, dass das Urteil des Islāms nicht für jeden gleich etabliert wird, sondern abhängig ist, ob die Person den spezifischen Kufr, auf dem sie vorher war, verleugnet:

„Der Imām sagte: Und dies ist für den Dualist (Anhänger des Dualismus), welcher nicht an den Tauhīd glaubt, wenn er mit dem Wort des Tauhīd kommt, wird er mit dem Islām beurteilt (er gilt als Muslim). Danach wird er zu allen Bestimmungen des Islāms gezwungen. Was denjenigen betrifft, der an den Tauhīd glaubt, aber er leugnet die Botschaft, so wird er nicht mit dem Islam beurteilt, alleine durch das Wort des Tauhīd, bis er sagt: ‚Muḥammad ist der Gesandte Allāhs‘ (der zweite Teil der Schahāda). So wenn er dies sagte, ist er Muslim, außer wenn er von denjenigen ist, die sagen: ‚Muḥammad ist speziell entsandt (nur) zu den Arabern‘, so dann wird er nicht mit dem Islām beurteilt alleine durch die Bestätigung der Botschaft, bis er bestätigt, dass er (ﷺ) entsandt ist zu der Gesamtheit der Schöpfung. Danach ist es empfehlenswert, dass er geprüft wird, mit der Bestätigung der Auferstehung und der Lossagung von jedem Dīn, der dem Islām widerspricht. Ebenso ist das Urteil des Murtadd (Abtrünniger vom Islām), der zurückkehrt zum Islām von dem Dīn in welchen er übergegangen war


Imām Qādī Abū Bakr ibn al-ʿArabī al-Mālikī (gest. 543 هـ) zitiert weiterhin Imām Qāḍī ʿIyāḍ al-Mālikī (gest. 544 هـ) über Takfīr bil ʿUmūm. Imām Qāḍī ʿIyāḍ liefert hier eine verallgemeinernde Erklärung der Maxime von Takfīr bil ʿUmūm gemäß dem Recht des Islāms. Es folgt nach dem Text eine wichtige Erläuterung, damit es nicht zu gefährlichen Missverständnissen kommt:

„Die Gesamtheit der Angelegenheit ist, dass wenn ein Muslim den Kāfir vorfindet, der keinen Vertrag hat, (so ist) seine (…)¹ für ihn erlaubt. So wenn der Kāfir zu ihm sagt: ‚Lā ilāha illā Allāh‘, ist seine (…)¹ nicht erlaubt. So hat er seine Zuflucht gesucht durch den Riemen des Islāms, der von seinem Blut, seinem Vermögen und seinen Angehörigen verbietet. So wenn er ihn nach jenem (…)¹, wird er für es (…)¹“

Wichtig, um den Geist dieser Textquelle zu verstehen, ist ein grundlegendes Verständnis des Recht des Islāms. Denn der beschriebene Kāfir, der keinen Vertrag hat, so handelt es sich um jemanden, dessen Volk sich geweigert hat, die Existenz der Muslime und des Islāms anzuerkennen. Somit leugnet der beschriebene Kāfir das Existenzrecht des Islāms und der Muslime. Nachdem jemandem das Existenzrecht abgesprochen wird, ist der folgende rationale Schritt der bewaffnete Kampf. Selbstverständlich sind solche Menschen nicht unter Schutz gestellt. Es wäre gefährlich, eine Menschengruppe unter Schutz zu stellen, die einem selbst die Vernichtung wünscht oder billigend in Kauf nimmt.

Außerdem geht es hier um das Kriegsrecht im Islām. Die Grenzen davon werden erwähnt, um zu zeigen, was unter keinen Umständen überschritten werden darf und was unter Umständen anwendbar sein kann. Nur weil eine Sache durch das Kriegsrecht legitimiert ist, heißt es nicht, dass sie nicht durch den Amīr politisch eingeschränkt werden kann. Nicht alles, was theoretisch rechtfertigbar ist, ist anzuwenden, genauso bei anderen Rechtsurteilen. Selbstverständlich lässt der Islām die Muslime nicht hilflos gegen ein Volk, das dem Islām und den Muslimen den Krieg erklärt hat, oder ihre Zerstörung billigend in Kauf nimmt, sondern es gibt auch hierfür einen rechtlichen Rahmen.

Die Botschaft hier ist, dass die Schahāda die Person schützt. Wir haben bei den anderen Aussagen, wie der Aussage von Imām al-Baghawī gesehen, dass die Schahāda unterschiedliche Stufen hat und nicht jeder, der es sagt, als Muslim bewertet wird. Das hier ist eine allgemeine Aussage, die auch so richtig ist, aber sie wird durch den entsprechenden Fall spezifiziert.


Imām Qādī Abū Bakr ibn al-ʿArabī (gest. 543 هـ) erwähnt bezüglich Takfīr bil ʿUmūm erneut, was ist, wenn jemand mit spezifischen Taten des Islāms wahrgenommen wird:

„So wenn er betet oder er macht eine Tat von den Spezifischen des Islāms, und sie sind: Die dritte Angelegenheit: So waren sich unsere Gelehrten in diesem uneinig.

Die Gruppen wichen voneinander ab bezüglich seines Islāms. Wir haben es bezüglich der Angelegenheit der Meinungsverschiedenheit niedergeschrieben. Wir glauben, dass er nicht durch jenes Muslim ist. Was anbelangt, dass gesagt wird zu ihm: ‚Was ist hinter diesem Gebet?‘ So, wenn er sagt: ‚Das Gebet eines Muslim‘ Sagt man zu ihm: ‚Sag Lā ilāha illā Allāh, Muḥammadan Rasūl Allāh‘ So, wenn er es sagt, wird seine Wahrhaftigkeit ersichtlich. Wenn er verweigert, wissen wir, dass jenes ein Schwindel ist.

(…)¹

Und ebenso ist es (für) denjenigen, der sagte: ‚Salām ʿalaykum‘, er wird verpflichtet mit dem Wort (der Schahāda), so wenn er es sagt, bewahrheitet sich sein richtiges Handeln und wenn er sich weigert, wird sein Widerstand ersichtlich und (…)¹. Und dies ist die Bedeutung Seiner Aussage: »So verschafft euch Klarheit« [4:94] Das bedeutet (über) die unklare Angelegenheit oder prüft nach und seid nicht in Eile. Die beiden Bedeutungen sind gleich.

So wenn einer ihn (…)¹, so hat er etwas Verbotenes hervorgebracht, ihn erreicht (obliegt) nicht Fidya, Kaffāra oder Wiedervergeltung (Qiṣāṣ). Und asch-Schāfiʿī sagte: ‚Für ihn (den …¹) ist das Urteil des Islāms (festgelegt)‘ Dies ist falsch, weil der Ursprung seines Kufr uns gewiss ist, so kann die Gewissheit nicht durch den Zweifel weichen“


Imām Ibn Qudāma al-Ḥanbalī (gest. 620 هـ) erklärt, bezüglich Takfīr bil ʿUmūm, die Aussagen, wie die Passage bei Ibn Hubayra, die vermeintlich das Gebet universell als Basis für das Urteil des Islāms festlegen und schränkt es bei den Murtaddun, die an das Gebet glauben, ein:

„Wenn der Kāfir betet, wird er mit seinem Islām beurteilt, egal, ob er in Dār al-Ḥarb oder in Dār al-Islām war (egal) ob er in Gemeinschaft oder alleine betet. Und ash-Shāfiʿi sagte: Wenn er in Dār al-Ḥarb betete, wird er mit seinem Islām beurteilt, und wenn er in Dār al-Islām betete, wird er nicht mit seinem Islām beurteilt, denn es ist möglich, dass er aus Heuchelei und Taqīya betete. Und für uns (die Ḥanābila) ist, dass, was als Islām in Dār al-Ḥarb gilt, so ist es Islām in Dār al-Islām, wie die beiden Bezeugnissen (der Shahāda). Und weil das Gebet eine Säule ist, die speziell für den Islām ist, so wird mit ihm sein Islām beurteilt, wie bei den beiden Bezeugnissen (der Shahāda). Die Möglichkeit der Taqīya und Heuchlerei wird hinfällig, mit den beiden Bezeugnissen (der Shahāda). Egal, ob er ein Aṣli oder ein Murtadd war.

Und was die übrigen Säulen betrifft, wie die Zakāh, das Fasten und die Ḥajj, so wird damit nicht mit seinem Islām beurteilt. Denn wahrlich, die Mushrikīn haben die Ḥajj gemacht in der Zeit des Gesandten Allāhs, Allāhs Segen und Frieden auf ihm, bis der Prophet, Allāhs Segen und Frieden auf ihm, (es) ihnen unterband. So sagte er: ‚Kein Mushrik macht nach dem (diesen) Jahr die Ḥajj‘ Und die Zakāh ist eine Ṣadaqa und sie geben Ṣadaqa. Und es wurde den Christen von Banu Taghlib, das gleiche, von der Zakāh auferlegt, was von den Muslimen genommen wurde und sie wurden durch jenes nicht Muslime. Was das Fasten anbelangt, so hat jeder Anhänger eines Dīn ein Fasten, und weil das Fasten nicht eine Handlung ist, vielmehr ist es Enthaltsamkeit von speziellen Handlungen während eines speziellen Zeitraums. Und dies kann vorkommen bei dem Kāfir, wie sein (des Fastens) Auftreten bei dem Muslim, und die Absicht des Fastens ist nicht maßgeblich (in dieser Angelegenheit). Weil es eine verborgene Angelegenheit ist, wovon wir keine Kenntnis haben, im Gegensatz zum Gebet, denn es ist eine Handlung, die sich unterscheidet von den Handlungen der Kuffār und damit werden die Anhänger des Islāms ausgezeichnet.

Und der Islām (einer Person) wird nicht bewiesen, bis er ein Gebet vorbringt, welches sich vom Gebet der Kuffār unterscheidet, bestehend aus der Aufnahme unserer Qibla, dem Rukūʿ und dem Sujūd, es kommt nicht zustande durch das bloße Stehen (Qiyām), weil sie in ihrem Gebet stehen. Und es ist kein Unterschied zwischen dem Aṣli und dem Murtadd in diesem, weil wodurch der Islām zustande kommt bei dem Aṣli, durch das kommt (ebenso) zustande bezüglich, was dem Murtadd zukommt, wie (auf der gleichen Stufe) die beiden Bezeugnisse (der Shahāda).

Demnach, wenn der Murtadd stirbt, dann aber etablieren seine Erben einen Beweis, dass er betete nach seiner Ridda, (so) wird für sie das Erbe anerkannt, außer wenn bewiesen ist, dass er abtrünnig wurde nach seinem Gebet oder wenn seine Abtrünnigkeit durch Verleugnung einer Pflicht, eines Buches, eines Propheten oder eines Engels war, oder ähnlichem von den Erneuerungen, deren Anhänger sich zu dem Islām zuschreiben, so wird er nicht mit seinem Islām beurteilt durch das Gebet, weil er an die Verpflichtung des Gebetes glaubt und er es zusammen mit seinem Kufr verrichtet, so ähnelt seine Handlung anderen. Und Allāh weiß es am besten.“


Imām Ibn Qudāma al-Ḥanbalī (gest. 620 هـ) sagt, dass derjenige, der durch einen spezifischen Kufr Kāfir geworden ist, nicht durch die Shahāda als Muslim beurteilt wird, außer er hat sich zuvor spezifisch von seinem Kufr losgesagt:

„Und die Worte von al-Khiraqī (Abū al-Qāsim al-Khiraqī al-Ḥanbalī) sind bezogen auf wer Kāfir wurde, durch Ablehnung der Einheit (Allāhs), oder Ablehnung der Botschaft Muḥammads, Allāhs Segen und Frieden auf ihn, oder Ablehnung von beidem.

So wer Kāfir wurde, durch anderes außer dieses, so kommt sein Islām nicht zustande, außer durch Bestätigung von was er (zuvor) verleugnete. Und wer die Botschaft Muḥammads, Allāhs Segen und Frieden auf ihm, bestätigt und er verleugnet, dass er entsandt ist zu (allen) Weltbewohnern, sein Islām ist nicht bewiesen, bis er bezeugt, dass Muḥammad der Gesandte Allāhs zur gesamten Schöpfung ist, oder er sagt sich zusammen mit den beiden Bezeugnissen (der Shahāda) von jedem Dīn, der dem Islām widerspricht, los.

Und wenn er behauptet, dass Muḥammad ein gesandter Beauftragter ist, später, nicht dieser, (so) obliegt ihm die Bestätigung, dass dieser Gesandte der Gesandte Allāhs ist. Weil, wenn er sich beschränkt auf die zwei Bezeugnisse (die Shahāda), (so) ist es möglich, dass er beabsichtigte, was er glaubte (an Kufr).

Und wenn er abtrünnig wurde, durch Leugnung einer Pflicht, er wird kein Muslim, bis er bestätigt, was er verleugnete, und er wiederholt (danach) die beiden Bezeugnisse (die Shahāda). Weil er Allāh und Seinen Gesandten der Lüge bezichtigte, mit was er glaubte. Und ebenso, wenn er einen Propheten oder einen Vers vom Buche Allāhs, des Erhabenen, verleugnete. Oder ein Buch von Seinen (Allāhs) Büchern, oder einen Engel von seinen Engeln, bei denen bestätigt ist, dass sie Engel Allāhs sind. Oder er hat verbotenes für zulässig gehalten, so ist es unvermeidlich bezüglich seines Islāms, die Bestätigung von was er verleugnete


Die Imāme erklären hier die richtige Herangehensweise und dass man nicht durch das Gebet oder ähnliches automatisch heutzutage als Muslim bewertet wird. Das Gebet kann, in bestimmten Situationen, wo dies eindeutig den Islām einer Person beweist, als Beweis gelten. Aber nicht in einer Situation wie heutzutage, wo man nichts mehr daran festmachen kann.

In diesen Textquelle sind auch zahlreiche weitere Beweise für die kranken Herzen, denen der Qurʾān nicht reicht, darüber, dass man die Leute zu prüfen hat. Nicht, dass man sie einfach lässt, sobald man die erste Annahme treffen könnte, dass sie vielleicht unter Umständen ja den Tauhīd verstanden haben könnten. Einige Verlorenen sehen sogar das Prüfen generell als Bidʿa an aufgrund ihrer Unwissenheit. Und das, obwohl Allāh selbst das Nachforschen und Vergewissern in Sure 4 Vers 94 den Muslimen befohlen hat!

Wir erkennen deutlich, dass das Urteil des Islāms nicht jedem direkt gegeben wird, der die Schahāda sagt. Denn, wie Imām al-Baghawī erklärt, gibt es Menschen, die die Schahāda auf der Zunge sagen, aber nicht die Bedeutung des Islāms damit ersuchen zu bestätigen, sondern die, beispielsweise die Botschaft des Gesandten (صلى الله عليه وسلم) einschränken, und dadurch trotzdem Kuffār sind.

Und genauso trifft dieses Urteil auf unsere Zeit zu. Denn es gibt Menschen, die die Schahāda sprechen und sich Muslime nennen, während sie sich die Demokratie als Dīn genommen haben und somit in Wahrheit Muschrikūn sind. Genauso die Leute, die behaupten den Tāghūt zu verleugnen, während sie gleichzeitig die Entschuldiger des Kāfirs als Muslime ansehen, oder bei den Namen und Eigenschaften Allāhs, ihn menschliche Eigenschaften zuschreiben oder glauben Allāh habe sich in Seiner Schöpfung niedergelassen, oder ähnlichen Kufr.

In den zitierten Aussagen erwähnen Imām Mālik von den Salaf, und auch Ibn Qudāma, explizit, dass das Gebet oder die Behauptung Muslim zu sein an sich nicht ausreichen, damit man das Urteil des Islām zugeschrieben bekommt, sondern dass die Schahāda, also ein explizites Bekenntnis notwendig ist. Und wie wir durch die Stelle bei Imām al-Baghawī bereits erfahren haben, hat die Shahāda unterschiedliche Stufen und von jedem wird entsprechend seines vorherigen Kufrs eine explizite Lossagung gefordert.

An der Überlieferungen der beiden Mālikiyya, Imām Qādī Abū Bakr ibn al-ʿArabī und Imām al-Qurṭubī, zu Imām Mālik erkennen wir, dass Imām Mālik nicht direkt beim Salām, dem Gebet oder sogar der Behauptung einer Person, sie sei Muslim, das Urteil des Islāms festgelegt hat. Sondern Imām Mālik hat gefordert, dass die Person eine klare Aussage hervorbringt, die Shahāda, an die das Urteil des Islāms geknüpft wurde. Und wie Imām al-Baghawī erklärt hat, ist die Schahāda nicht gleich akzeptiert. Sondern es kommt darauf an, welchem Zustand die Person zuvor zugeschrieben ist. So wie bei einem Einschränker der Botschaft ein Zusatz zur Shahāda notwendig ist, so ist es genauso beim Demokraten oder Mujassim notwendig, dass von ihm hervorgeht, dass er sich von seinem vorherigen Kufr gelöst hat und in den Islām eintritt.

Und als letzten Punkt möchten wir eine Sache besonders hervorheben. Bezüglich der Menschen, die bezüglich Takfīr bil ʿUmūm eine lockerere Meinung vertreten und schneller den Menschen endgültig das Urteil des Islāms geben, obwohl sie sich in Dār al-Kufr befinden. Wo ist ihre Aufrichtigkeit? Wo rufen sie die Leute, denen sie das Urteil des Islāms geben, auf? Weder prüfen sie über das bloße Wahrnehmen eines Gebetes hinaus, noch handeln sie basierend auf dem Urteil, was sie festgelegt haben!

Nehmen wir ein Beispiel: Sie sehen jemanden, der das Gebet in einer der Einrichtungen, der sog. „DITIB“ verrichtet. Sie würden für die Person das Urteil des Islāms festlegen, auch wenn sie selbst die Menschen mit der ʿAqīdah der sog. „DITIB“ als Kuffār ansehen. Nehmen wir an, dieser Mensch stirbt. Sie selbst müssten somit das Totengebet über diesen Mann verrichten. Sie selbst müssten sich um seine Waschung, sein Begräbnis und die Regelung seines Erbes kümmern. Sie können diese islamischen Angelegenheiten nicht der sog. „DITIB“ überlassen, denn sie bestätigen ja gleichzeitig den Takfīr über sie. Warum handeln sie also nicht nach dem Urteil, das sie festgelegt haben? Weil sie unaufrichtig sind! Ihre Taten gehen nur so weit, wie ihr Nafs sie trägt, und deswegen ersuchen sie auch dieser Meinung zu folgen. Warum rufen sie die Menschen nicht auf, in den Gebetsorten, die sie besuchen? Warum rufen sie die Menschen nicht zur Verkündung des Tauhīd innerhalb dieser Orte und kontinuierlich, nicht nur einmal? Warum reden sie nicht öffentlich gegen die Erneuerungen in diesen Orten?

Wir sehen, dass sie nicht nur den Mushrikūn das Urteil des Islāms geben und sich verweigern, Tabayyan mitten in Dār al-Kufr zu betreiben, sondern sie lassen auch komplett alle anderen Urteile über die Erneuerer fallen und behandeln jeden, der die Schahāda bezeugt oder betet, so als ob er unkritisierbar wäre. Und jeder weiß, dass wenn sie das Manhaj des Islāms an diesen Gebetsorten anwenden würden, dann würden sie herausgeworfen werden und der Kufr der Leute würde spezifische auf die einzelnen Personen klar werden. Wenn sie doch also behaupten, dieser Meinung zu folgen, wieso schweigen sie? Wieso erheben sie nicht ihr Wort gegen diese Leute?

Widerlegung der Scheinargumente: Takfīr bil ʿUmūm auf Dār al-Kufr sei angeblich die ʿAqīda der Khawārij

Teil 1: Die Azāriqa

Die Murjiʾa versuchen, während sie die Rechtsurteile der klassischen Gelehrten ignorieren, Takfīr bil ʿUmūm auf Dār al-Ḥarb als eine Ansicht der Khawārij zu diffamieren.

Imām Abū al-Ḥasan al-Ashʿarī (gest. 324 هـ) erwähnt die ʿAqīda der Azāriqa der Khawārij:

„Die Azāriqa behaupteten, dass wer wohnhaft ist in Dār al-Kufr, ein Kāfir ist, er kann nichts tun, außer die Ausreise“

Diese Ansicht der Azāriqa ist nicht Takfīr bil ʿUmūm. Denn sie machen den individuellen Takfīr auf jeden, der in Dār al-Ḥarb wohnt, was nicht die Ansicht der Ahl as-Sunna ist und nie war. Das würde schlussfolgern, dass niemand in Dār al-Ḥarb Muslim werden kann, bis er nach Dār al-Islām ausreist. Und in einer Zeit, wie heute, in der kein Dār al-Islām existiert, würde das schlussfolgern, dass es keine Muslime gibt. Wir machen keinen Takfīr auf den Muslim, der in Dār al-Kufr lebt. Sondern wir geben den Menschen in Dār al-Ḥarb in der Allgemeinheit das Urteil des Kufr, bis mit Gewissheit das Gegenteil bewiesen ist. Und das Leben unter den Mushrikūn ist kein Kufr.

So erwähnte Imām Ibn Kathīr (gest. 774 هـ) dass derjenige, der keine Hijra macht, unter Bedingungen, Ḥarām begeht:

„So wurde dieser edle Vers herabgesandt, allgemein, über jeden, der zwischen den beiden Rücken der Mushrikūn (unter ihnen) wohnt. Und er ist in der Lage zur Hijra und er ist nicht fähig zur Errichtung des Dīn, so ist er ungerecht zu sich selbst, (und) begeht Ḥarām per Konsens (ijmāʿ).“

Auch Imām Ibn Ḥazm erwähnte, neben anderen Gelehrten, dass es Entschuldigungsgründe geben kann für eine Person, die keine Hijra macht. Es ist also kein Kufr in Dār al-Ḥarb zu leben und das ist nicht die Ansicht von Takfīr bil ʿUmūm. Und wer es versucht gleich zu machen, versucht die Angelegenheit den Leuten unklar zu machen, und das ist die Eigenschaft der Shayāṭīn.

Teil 2: Die Bayhasīya und ʿAwfiyya

Die zweite Gruppe, deren Irrleitung die Murjiʾa versuchen, mit Takfīr bil ʿUmūm auf Dār al-Ḥarb gleichzusetzen, ist die Bayhasīya und deren Untergruppe, die ʿAwfiyya.

Imām Abū al-Ḥasan al-Ashʿarī (gest. 324 هـ) sagt über die ʿAqīda der ʿAwfiyya, einer Gruppe der Bayhasīya der Khawārij:

„Und beide Gruppen von den ʿAwfiyya sagen: Wenn der Imām zum Kāfir wird, so wurde der Untertan zum Kāfir, der Abwesende von ihnen, und der Anwesende“

So ist die Behauptung der Murjiʾa, dass dies angeblich gleich oder ähnlich mit Takfīr bil ʿUmūm auf Dār al-Ḥarb sei. Die Widerlegung hierauf ist gleich oder ähnlich zu dem Scheinargument mit den Azāriqa. Denn die ʿAwfiyya machen hier den individuellen Takfīr auf Menschen, denen sie vorher das Urteil des Islāms gegeben haben, wenn eine andere Person in Kufr gefallen ist, nach ihrer Festlegung. Und wir sprechen keinen Takfīr auf Muslime ohne einen klaren Beweis über ihren Kufr. Takfīr bil ʿUmūm auf Dār al-Ḥarb meint, dass man in Unkenntnis der ʿAqīda einer Person in Dār al-Ḥarb, ihr das Urteil des Kufrs gibt, bis, mit Gewissheit, das Gegenteil feststeht.

Wir lehnen die Regel ab, dass man selbst zum Kāfir wird, weil der Imām zum Kāfir wurde, weil es dafür keinen Beweis gibt. Wenn jemand aber dem Imām in seinem Kufr folgt, dann ist sein Kufr klar geworden. Und wenn der Imām nach seinem Kufr nicht vom Amt enthoben wird, sondern er ändert die Gesetzgebung und damit den Dīn des Staates, so dass es zu Dār al-Ḥarb wird, dann tritt wieder Takfīr bil ʿUmūm auf Dār al-Ḥarb ein. Und eines der Anzeichen für den Islām in dieser Situation wäre der Takfīr auf den abtrünnigen Imām und seine Ablehnung.

Imām Abū al-Ḥasan al-Ashʿarī (gest. 324 هـ) erwähnt die ʿAqīda der Bayhasīya, zu denen die ʿAwfiyya gehören, der Khawārij und ihren Takfīr bei Furūʿ-Angelegenheiten:

„So wenn einer von seinen Awliyāʾ anwesend ist, an Orten von (einem) Ḥarām-Ereignis, und er weiß nicht, ob es Ḥalāl oder Ḥarām ist, oder er ist im Zweifel über es, er zögert darin, er übernimmt es nicht und er spricht sich nicht frei von ihm, bis er weiß, ob das Begangene, Ḥalāl oder Ḥarām ist, dann sprechen sich die Bayhasīya von ihm frei“

Und das zeigt die Übertreibung dieser Sekte und ihre Unterscheidung zur Ahl as-Sunna. Denn sie würden den Takfīr auf das ganze Volk machen, nur weil der Imām Khamr getrunken hat. Und sogar unabhängig davon, ob das Volk von dem Khmar des Imāms wusste oder nicht. Niemand von uns hat jemals das behauptet oder auch nur etwas Ähnliches dazu.

Teil 3: Die Akhnasīya

Die nächste Gruppe der Khawārij, welche die Murjiʾa versuchen, für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, sind die Akhnasīya. Eine weitere Untergruppe der Khawārij, wie bekannt, sind die Khawārij in extremer Spaltung.

Imām ash-Shahrastānī (gest. 548 هـ) beschreibt die ʿAqīda der Akhnasīya:

„Die Akhnasīya: Die Gefährten von Akhnas bin Qays von der Gesamtheit der Thaʿāliba. Und er (Akhnas) wandte sich ab von ihnen, indem er sagte: ‚Ich zögere bezüglich allen von Ahl al-Qibla, die in Dār at-Taqīya waren, außer von wem Glauben bekannt ist, so wende ich mich zu ihm, oder Kufr, so sage ich mich von ihm los‘. Und sie verbieten den Ightīyāl, das Töten und den Raub im Geheimen“

Die Widerlegung dieses Scheinargumentes liegt in der Zitierung ihrer Glaubenslehre. Die Murjiʾa behaupten, dass die Akhnasīya Takfīr bil ʿUmūm auf Dār al-Ḥarb vertreten würden. Der Unterschied ist offensichtlich für jeden, der Verstand hat – und genau das ist das Problem, das wir mit den Murjiʾa haben. Zuerst: Dār at-Taqīya ist bei den Khawārij gleichbedeutend mit Dār al-Kufr bei den Muslimen, darauf bauen sie ihr Scheinargument auf.

Imām ʿAbdulqāhir al-Baghdādī (gest. 429 هـ) erklärt Dār at-Taqīya bei den Khawārij als das Gegenteil von ihrem Herrschaftsgebiet:

„Und sie erlaubten die Heirat der Muslima mit Kuffār ihres Volkes in Dār at-Taqīya. So was im Dār ihres Urteils anbelangt, so halten sie jenes nicht für erlaubt“

So unterscheiden die Khawārij zwischen Dār al-ʿAlāniyya, ihr Gebiet, in dem sie ihre falsche Glaubenslehre offenkundig leben, und Dār at-Taqīya, dem Gegenteil. Analog zu Dār al-Islām, dem Gebiet der Muslime, und Dār al-Kufr, dem Gebiet der Nichtmuslime.

Die Antwort auf die Verwirrung der Murjiʾa: Die Akhnasīya zögern bezüglich der Leute in Dār at-Taqīya. Sie halten sich vom Urteil über die Leute zurück, neben anderen auf ihrer Unwissenheit aufgebauten Urteilen. Die Akhnasīya haben einen eigenen Irrweg. Weder sagen sie sich los, noch bestätigen sie, bis sie selbst, nach ihrem Maßstab, Kufr oder Iman wahrgenommen haben. Das ist falsch und offensichtlich nicht Takfīr bil ʿUmūm. Denn Takfīr bil ʿUmūm auf Dār al-Kufr, bzw. Takfīr ad-Dār, ist, dass man den Menschen eines Gebiets im Allgemeinen das Urteil des Dār gibt, bis das Gegenteil mit Gewissheit bewiesen ist, wie von sämtlichen Gelehrten erklärt und dargelegt.

Die Murjiʾa aber sind unfähig, auf die Rechtsurteile der klassischen Gelehrten zu antworten und flüchten sich stattdessen in mehrdeutige Aussagen und Scheinargumente, mit denen sie versuchen, die Laien in ihren Reihen zu festigen. Für die Kontextleugner unter den Murjiʾa zeigt Imām Abū al-Ḥasan al-Ashʿarī (gest. 324 هـ) nochmal explizit den Unterschied zwischen dem Zögern und sich Lossagen bei den Khawārij auf:

„Und von den Ḍuḥākīya ist eine Gruppe, sie zögern und haben sich nicht losgesagt von dem, der es tat und sie sagten: ‚Wir geben dieser, mit Kuffār unseres Volkes, verheirateten Frau nichts von den Rechten der Muslime, wir beten nicht über sie, wenn sie stirbt und wir zögern bezüglich ihr‘. Und (einige) von ihnen sagen sich von ihr los.“

Das Zögern und sich Lossagen sind bei den Khawārij genauso entgegengesetzt. Somit ist das Scheinargument vollständig widerlegt und, mit Allāhs Erlaubnis, verdeutlicht.


Anmerkung (¹): Diese Worte mussten zensiert werden, auch, wenn es sich lediglich um historische Zitate handelt, die, auch gemäß dem Landesrecht keine juristische Relevanz haben, da sie ja, wie bereits angemerkt und wie aus dem Text ersichtlich ist, lediglich Zitate sind. Grund für die Zensur ist die Zensurpolitik der Suchmaschinen gegenüber islamischen Inhalten.

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