Sind demokratische Wahlen halal?

Die Frage nach dem Urteil von demokratischen Wahlen im Islam bedingt, dass man ein grundsätzliches Verständnis über sowohl die Demokratie, als auch den Islam hat. Die Demokratie basiert auf dem Prinzip der sogenannten Volkssouveränität. Dieses Prinzip besagt, dass angeblich die höchste Gewalt eines Staates, die oberste Quelle der Legitimität des Staates, das Volk selbst wäre. Das heißt, dass gemäß dem Prinzip der Volkssouveränität, das Volk selbst angeblich die höchste Instanz ist und dass ein Staat angeblich ausschließlich durch den Willen des Volkes legitimiert wird.

Der Islam umfasst jeden Lebensbereich. Sowohl die privaten Angelegenheiten, als auch die öffentlichen und staatlichen Angelegenheiten. Wer einen Teil des Islams verleugnet, egal welcher Teil, ist ein Kāfir. Jeder, der den Islam kennt, weiß, dass im Islam Allah der Höchste ist. Dass die höchste Instanz im absoluten Sinne einzig und allein Allah ist und dass man nichts über Allah stellt. Und derjenige, der irgendetwas, sei es auch nur in einer einzigen Angelegenheit, über Allah stellt, so hat diese Person Shirk begangen und ist folglich ein Kāfir.

Der Islam hat durch die islamische Gesetzgebung Regeln und Richtlinien gebracht, die für jeden Muslim bindend sind. Wer irgendetwas über diese Regeln und Richtlinien stellt, so hat diese Person Shirk begangen und ist ein Kāfir mit dem Konsens aller Muslime. Darüber gibt es keine Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Islams.

Durch die obige Gegenüberstellung sollte klar sein, dass die Demokratie gegen die Prinzipien des Islams orientiert ist und nicht vereinbar mit dem Verständnis des Islams ist. Der Islam ist eine Lebensordnung, ein Dīn, für alle Bereiche des Lebens. Wohingegen die Demokratie beansprucht, in öffentlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sein, während sie die islamischen Prinzipien in diesem Bereich als falsch erachtet. Wer also die Demokratie bevorzugt, sei es nur in einer einzigen Angelegenheit, der hat den gesamten Islam verleugnet, denn er hat die Grundprinzipien des Islams verleugnet. Allah sagt in Sure 3 Vers 19:

إِنَّ الدِّينَ عِندَ اللَّهِ الْإِسْلَامُ
Wahrlich, der Dīn bei Allah ist der Islam

Dīn ist ein Wort aus dem Arabischen und meint das, wozu man sich bekennt. Also die Prinzipien und Ideen, wonach man sein Leben ausrichtet und worüber man sich selbst beurteilt. Fragen wie: Ist das richtig? Sollte ich das tun? Was ist meine Meinung darüber? Diese Fragen, werden durch den Dīn einer Person, durch die Lebensordnung einer Person, beantwortet. In dem obigen Vers macht Allah klar, dass der Islam einzig und allein der Dīn ist, den Er akzeptiert.

Allah sagt weiter über den Dīn des Islams in Sure 5 Vers 3:

الْيَوْمَ أَكْمَلْتُ لَكُمْ دِينَكُمْ وَأَتْمَمْتُ عَلَيْكُمْ نِعْمَتِي وَرَضِيتُ لَكُمُ الْإِسْلَامَ دِينًا

Heute habe Ich euch euren Dīn vervollkommnet und Meine Gunst an euch vollendet, und Ich bin mit dem Islam als Dīn für euch zufrieden.

Das heißt, Allah hat den Dīn des Islams bereits vervollständigt und uns klargemacht, was wir zu tun haben und was wir nicht tun dürfen. Danach hat sich ein Muslim auszurichten und nichts anderes außer die Lebensordnung des Islams wird bei Allah akzeptiert, so sagt Allah in Sure 9 Vers 33:

هُوَ الَّذِي أَرْسَلَ رَسُولَهُ بِالْهُدَىٰ وَدِينِ الْحَقِّ لِيُظْهِرَهُ عَلَى الدِّينِ كُلِّهِ وَلَوْ كَرِهَ الْمُشْرِكُونَ

Er ist es, Der Seinen Gesandten mit der Rechtleitung und dem wahren Dīn gesandt hat, um ihm die Oberhand über jeden anderen Dīn zu geben, auch wenn es den Mushrikūn zuwider ist.

Das heißt, die Lebensordnung, mit welche der Gesandte Allahs (صلى الله عليه وسلم) kam, der Islam, ist die einzig wahre Lebensordnung. Sie ist vollständig und vollendet und bedarf keiner Veränderung oder Anpassung. Das Wort Dīn im Islam umfasst auch politische und öffentliche Angelegenheiten. Das lässt sich aus vielerlei Quellen verstehen. Beispielsweise die Erläuterungen der Gelehrten zu Sure 12 Vers 76, wie bei Imām al-Qurṭubī (رحمه الله) in seinem Tafsīr:

»Gemäß dem Dīn des Herrschers« [12:76]

Von ibn Abbās: Das heißt, (nach) seiner Legitimation.
Von ibn Īsā: Seine Sitte.
Mujāhid: Gemäß seinem Urteil.

Die Aussage von ibn Abbās (رضي الله عنه) bedeutet, dass unter der Autorität, unter der Gesetzgebung, des Herrschers die Tat, die der Prophet Yūsuf (عليه السلام) in diesem Vers tat, nicht möglich gewesen wäre. Er erklärt also den Dīn des Herrschers, als die Autorität, die Richtlinien des Herrschers. Nach ibn Īsā meint es die Sitte, also das Gewohnheitsrecht des Herrschers. Nach Mujāhid bedeutet der Dīn des Herrschers hier, das Urteil des Herrschers über einen Straftäter, den Dieb in diesem Fall.

All diese Erklärungen belegen, dass das Wort Dīn im Islam eine umfassende Bedeutung hat. Sowohl private als auch öffentliche, gesellschaftliche und staatliche Angelegenheiten werden durch den Dīn des Islams bestimmt. Wer also beispielsweise bei staatlichen und öffentlichen Angelegenheiten den Islam nicht bestätigt, der hat den Islam gesamtheitlich nicht bestätigt und ist folglich ein Kāfir.

Die Demokratie steht also im direkten Widerspruch zum Kern des Islams, denn die Demokratie selbst ist ein Dīn. Und um Muslim zu werden, ist es notwendig, sich von allem, was dem Islam widerspricht, loszusagen und zu distanzieren. Allah sagt im Qur’an in Sure 2 Vers 256:

فَمَن يَكْفُرْ بِالطَّاغُوتِ وَيُؤْمِن بِاللَّهِ فَقَدِ اسْتَمْسَكَ بِالْعُرْوَةِ الْوُثْقَىٰ

So wer den Kufr gegenüber dem Tāghūt betreibt und an Allah glaubt, der hat sich am stärksten Haltegriff festgehalten.

Das Wort Tāghūt meint jeden, der eine Sache, die einzig und allein Allah zusteht, sich selbst zuschreibt. Der Tāghūt ist ein spezifischer Kāfir, der sich besonders gegen Allahs Gesetze richtet. Und mit dem Haltegriff in diesem Vers ist, wie Imām at-Ṭabarī (رحمه الله), überliefert, das Bekenntnis zum Islam gemeint. Das heißt, dass derjenige, der dies nicht tut, kein gültiges Bekenntnis zum Islam hat, also kein Muslim ist. Imām at-Ṭabarī (رحمه الله) erklärt im Tafsīr von Imām as-Suyuti (رحمه الله) ad-Dur al-Manthur das Wort Tāghūt wie folgt:

Von Mujāhid, er sagte: »Der Taghut« (ist):
Der Teufel in Menschengestalt. Sie richten sich in Regeln nach ihm und er ist der Verantwortliche ihrer Angelegenheit.

Allah ist unser Schöpfer und es ist Sein Recht, über uns zu bestimmen. Sein Wort steht am Höchsten. Wenn Er etwas entscheidet und für verboten erklärt, dann kann niemand dieses Verbot aufheben. Und derjenige, der sich wähnt, dass er dieses Verbot aufheben kann, der ist ein Tāghūt. Derjenige, der sich unabhängig von Allah wähnt, der ist ein Tāghūt. Jede Demokratie wähnt sich unabhängig von Allahs Urteilen in politischen Angelegenheiten und somit ist die Demokratie selbst der Tāghūt. Jeder, der dieses System einführt, anleitet oder etabliert, ist ein Tāghūt und stellt sich durch seine Taten über Allah. Auch wenn die Person behaupten sollte Muslim zu sein, so sollte jedem bewusst sein, dass der Islam auch die Taten einer Person berücksichtigt. Wenn die Person also eine Tat tut, die als Unglaube im Islam zählt, dann ist die Person, unabhängig von ihren Aussagen, ein Kāfir.

Die Demokratie vertritt wie erwähnt das sog. Prinzip der Volkssouveränität, welches behauptet, dass der Mensch angeblich über Allah stehen würde und angeblich unabhängig von Allah über das Erlaubte und das Verbotene entscheiden dürfe. Und im Sinne dieses Prinzips fungieren demokratische Wahlen. Wer an demokratischen Wahlen teilnimmt, der hat sich nicht vom Tāghūt losgesagt und ist somit kein Muslim, wie Allah in Sure 2 Vers 256 sagt. Denn durch die demokratischen Wahlen wird der Tāghūt festgelegt. Das ist der Zweck, wozu demokratische Wahlen in der repräsentativen Demokratie dienen. Wer also demokratisch wählt, egal mit welcher Absicht, der ernennt den Tāghūt, statt sich von ihm loszusagen.

Und falls nun gesagt werden sollte, dass unabhängig, ob die Einzelperson wählt oder nicht, angeblich trotzdem ein Kandidat gewählt wird und dass in Anbetracht dessen es angeblich gerechtfertigt wäre, demokratisch zu wählen, so lautet die Antwort: Das ist natürlich falsch. Zuallererst muss derjenige, der so etwas behauptet, für so ein Prinzip einen Beweis aus den islamischen Textquellen geben. Wo erlaubt der Islam eine Tat, weil sie auch andere machen? Wo erlaubt der Islam, dass man derart opportunistisch handelt, vollkommen basierend auf Annahmen? Das gibt es nicht. So denkt kein Muslim, so denkt ein Mushrik.

Jeder ist für seine Taten verantwortlich. Wer demokratisch wählt, der ist, unabhängig davon, wie viele Menschen sonst noch wählen, selbst dafür voll verantwortlich.

Also zusammenfassend lässt sich sagen, dass demokratischen Wahlen definitiv nicht Halal sind. Jeder, der demokratisch wählt, begeht Kufr, also Unglaube, und tritt aus dem Islam aus. Unabhängig davon, ob er sich bewusst ist, dass dies das Urteil im Islam ist, oder nicht. Denn beim Grundfundament des Islam, dem Tauhīd, gibt es keine Entschuldigung durch Unwissenheit. Man muss erstmal das Grundwissen über den Islam erwerben, bevor man überhaupt in den Islam eintreten kann. Wer es nicht erworben hat, ist kein Muslim.

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